Gerade war ich mit Lina spazieren...ich ging die straße entlang und schaute irgendwann unbeabsichtigt durch ein Fenster und blieb stehen.
Ein Esszimmer, hell erleuchtet, eine Familie beim Abendessen.
Die Frau war älter, so um die 45. Rote Haare, Brille, früher sicher einmal schön.
Der Mann noch mit Jacket, die Haare leicht schütter, tiefe Falten erzählten von seinem Job.
Ein Mädchen im Teenielook, halt so richtig hip und trendy, stocherte im Salat.
Der Junge, klein und ziemlich frech ausschauend, schien sich mit ihr zu streiten.
Der Tisch nett gedeckt. Nichts aussergewöhnliches. Es ist ja schliesslich mitten in der Woche. Eine Kanne Tee, ein Teller mit belegten Broten.
Das Haus sehr schön, halt in Schwabenmanie gepflegt und der Mercedes in der Auffahrt.
Mir fiel auf, dass ich immer noch vor dem Fenster verharrte und mich fragte, warum eigentlich.
Es war die Unzufriedenheit, welche ich bis hier draussen spüren konnte.
Vielleicht hatte sie sich eine bessere Zukunft erhofft.
Vielleicht wäre er lieber bei seiner Freundin.
Vielleicht wünschten sich die Kids reichere Eltern.
Ich sah sie an und konnte es nicht verstehen. Frierend stand ich in der Kälte.
Mir schossen die Worte meines Frauenarztes durch den Kopf..."Frau Wieser, wir sollten uns dringend über ihren letzten Abstrich unterhalten. Ihre Zellen haben einen vergrößerten Zellkern."...
Das Telefonat, keine 2 Stunden her.
In dem Moment, hier draussen vor dem Fenster fremder Menschen, fragte ich mich was Glück ist.
Seit 1,5 Monaten weiß ich, dass es für mich nur jetzt, wenn überhaupt, eine Schwangerschaft möglich ist.
Jeden Monat hoffte ich, dass der Sex mit einem Menschen, den ich nicht liebe, mir diese jetzige Möglichkeit erfüllt.
Und jetzt?
Dinge verändern sich.
Letztens sagte mir jemand, dass ich das Leben nicht verändern kann, dass ich es so nehmen muss, wie es ist.
Soll ich mich ergeben?
Soll ich die Zeiten verstreichen lassen, in denen sich mein Lebenssinn, ein Baby in den Armen zu halten, erfüllen könnte?
Soll ich mich damit abfinden, dass mein Körper beschließt, nicht mehr so zu funktionieren, wie er es tun sollte?
..."Frau Wieser, wir sollten uns dringend über ihren letzten Abstrich unterhalten. Ihre Zellen haben einen vergrößerten Zellkern."...
Die Worte hallen in meinem Kopf.
Niemand traut es sich auszusprechen.
Dieses Wort...
Krebs.
Vielleicht habe ich Glück und ich werde wieder gesund...vielleicht auch nicht.
So stand ich dort allein in der Kälte.
Schaute auf die Menschen, die so unzufrieden aussahen und doch alles Glück der Welt hatten.
Sie war Mutter von 2 wunderbaren Kindern und Ehefrau eines Mannes, der sich um seine Familie kümmerte.
Er hatte seine Karriere, seine Zukunft in den Kinderhänden und eine Frau, die den Abendtisch deckte.
Die Kinder ein warmes Zuhause und kaum Sorgen.
SIE waren glücklich...und wussten es nicht.
Und ich stand einsam in der Kälte mit meinen Gedanken...